Das Denkmal
im Heidedorf Schwalingen
Peter Christoph Lünzmann
* 4.März 1792
7.Juli 1815
Halbhof “Born”
Schwalingen im Herbst 1813.
Seit zehn Jahren ist Krieg. Seit zehn Jahren wechseln sich die fremden
Besatzer im Kurfürstentum Hannover immer wieder ab. Seit drei Jahren
gehört auch das Heidedorf Schwalingen zwangsweise zum Kaiserreich
Frankreich. Das Geld, mit dem man bezahlt, sind französische Franken und
Centimes. Es gilt der 'Code Civil', das Französische Zivilrecht und die
Amtssprache ist Französisch.
Aber die Zeit der französischen Besatzung mit ihren drückenden
Steuerlasten und immer neuen Truppenaushebungen scheint ihrem Ende
entgegen zu gehen. Nach der schweren Niederlage der Franzosen in
Russland im vergangenen Jahr 1812, dem anhaltenden Vormarsch der
befreundeten russischen Truppen in ganz Norddeutschland, zieht sich die
französische Besatzung und Verwaltung mehr und mehr zurück.
Als die verbündeten Truppen von Österreich, Preußen, Russland und
Schweden die Truppen Napoleons in der Völkerschlacht bei Leizig im
Oktober besiegen, verbreitet sich freudige Hoffnung auch in Schwalingen,
dass sich die Zeiten doch wieder zum Guten wenden könnten.
Die Neuigkeiten, die Pastor Hönert am 5.Dezember 1813 nach der
Predigt von der Kanzel der St.Batholomäus-Kirche zu Neuenkirchen auf
Weisung seiner Vorgesetzten den Kirchgängern mitzuteilen hat, bringt aber
den Schrecken des Krieges noch einmal in die Familien seines Kirchspiels.
Pastor Hönert verliest den Aufruf des Königs von Großbrittanien und
Kurfürsten von Braunschweig-Lüneburg an die Hannoveraner, zu den
Waffen zu greifen und sich gegen die französischen Besatzer zu erheben.
Anschließend verkündet er weisungsgemäß die Errichtung einer
Landwehr und die Einführung der Allgemeinen Wehrpflicht. Wehrpflichtig
ist jeder Einwohner ohne Unterschied des Standes und des Vermögens ab
dem vollendeten 18.Lebensjahr. Die Obrigkeit ist zwar überzeugt, dass sich
alle Wehrpflichtigen sofort melden werden, hat aber vorsorglich scharfe
Bestimmungen erlassen für diejenigen, die sich der Pflicht entziehen
wollen - sie verlieren ihr Vermögen und Erbe.
Peter Christoph Lünzmann, der Anerbe vom Schwalinger Halbhof
“Born”, ist 21 Jahre alt. In den nächsten Tagen liest er immer wieder den
öffentlichen Anschlag, auf dem die Landesherrliche Verordnung, der
Spezial-Befehl zur Errichtung der Landwehr, abgedruckt ist. Ihr Text ist
auch vom Amtsdiener in allen Häusern und Familien im Dorf angesagt
worden mit dem vorgeschriebenen Termin, an dem er sich in die
Erfassungsliste der Wehrpflichtigen einzuschreiben hat. Die Musterung
folgt, dann die Losung. Peter Christoph ist ein kräftiger, gesunder und
pflichtbewusster Mann - kein Zweifel, er wird in den Krieg ziehen müssen.
Peter Christoph und Anne Marie Indorf vom Halhof “Johms” in
Schwalingen sind einander versprochen. Noch ist er nicht aufgerufen, noch
ist kein Gestellungsbefehl ergangen, noch kann er ohne ausdrückliche
Zustimmung seines zukünftigen Bataillon-Chefs heiraten. Über
Weihnachten 1813 kommen die Familien zu dem Entschluss: Es wird
Hochzeit gefeiert. Als Termin wird der 12.Januar 1814 vereinbart, der
Geburtstag von Anne Marie, sie wird an diesem Tag 16 Jahre alt.
Dieser Tag wird Pastor Hönert und vor allem den Schwalingern noch
lange als ein ganz besonderer in Erinnerung bleiben. Denn es heiraten
nicht nur Peter Christoph Lünzmann und Anne Marie Indorf, sondern an
diesem Tag heiratet auch der Bruder von Anne Marie Indorf, Hinrich
Christopher Indorf, nämlich die Schwester von Peter Christoph Lünzmann,
Anne Marie Lünzmann – eine Doppelhochzeit von Geschwisterpaaren. Und
es gibt sogar noch eine dritte Hochzeit an diesem Tag in Schwalingen: Der
älteste Sohn vom Schwalinger Schulmeister Hinrich Christopher Hoops,
Hinrich Christoph, heiratet die Schäfers-tochter Clara Anne Gebers aus
Reimerdingen.
Das Schlachtfeld bei Les Quatre-Bras am 16.Juni 1815.
Peter Christoph Lünzmann ist unter den Soldaten des Landwehr-Bataillons Verden
in der 4.Hannoverschen Brigade der Englisch-Alliierten Streitmacht.
Drei Monate später, Mitte April 1814, wird die Losnummer
von Peter Christoph Lünzmann aufgerufen und er erhält den
Gestellungsbefehl zur Verdener Landwehr. Zusammen mit
Johann Friedrich Wilhelm Baden aus Tewel und dem Sohn des
Neuenkirchener Amtsvogtes Brückmann, Georg Carl Cuno,
rückt er in die 2.Compagnie des 2.Landwehr-Bataillons ein. Sie
erhalten englische Uniformen und Waffen. Nach nur kurzer
Ausbildung werden im August 1814 die Landwehr-Bataillone der
hannöverschen Armee in die Niederlande verlegt.
Im Mai 1815 steht Peter Christoph Lünzmann mit dem
Landwehr-Bataillon Verden als Teil der englisch-alliierten
Armee in Brügge, im Juni in Brüssel. Hier erreicht die
englischen Truppen in der Nacht zum 16.Juni der Alarm, dass
die französische Nordarmee unter Napoleon auf Brüssel
marschiert. Auch das Landwehr-Bataillon Verden wird den Franzosen
entgegen geschickt und rückt nach hartem Marsch am Nachmittag des
16.Juni unter feindlichem Kanonenbeschuss in die Gefechtsstellung bei
dem Weiler Quatre-Bras ein, wenige Kilometer vom Ort Genappe
entfernt; sie sind die ersten hannoverschen Truppen, die ins Gefecht
kommen – für viele ihr erstes Gefecht.
In der folgenden Schlacht bei Quatre-Bras erleidet das Landwehr-
Bataillon Verden hohe Verluste. Johann Wilhelm Baden aus Tewel fällt.
Peter Christoph Lünzmann wird verwundet. Er kommt in das Hospital
zu Antwerpen, wo um diese Jahreszeit das Sumpffieber lauert. (mehr...)
Zwei Tage später, am 18.Juni 1815, besiegen die englischen,
niederländischen, hannoverschen und preussischen Truppen in der
Schlacht von Waterloo die napoleonische Armee entscheidend. Der lange
Krieg nähert sich endlich dem Ende.
E
s ist Anfang Oktober 1815, als Pastor Hönert in der Sakristei den
Brief liest, den ihm Johann Dietrich Lünzmann aus Schwalingen, der
Vater von Peter Christoph Lünzmann, nach dem Gottesdienst wortlos
übergeben hat. Er ist aus dem Hauptquartier der hannoverschen
Truppen im Schloss Neuilly bei Paris und enthält einen Totenschein:
Peter Christoph Lünzmann ist am 17.Juli 1815 im Hospital zu Antwerpen
an seinen Wunden gestorben.